Einwand eingereicht

Mit folgendem Text haben wir fristgerecht Einwand beim Kreis eingelegt.

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1779/20 R16 ro 07.09.2020
D10/1141-20
Lammich ./. LK JL
Erweiterung Windpark Woltersdorf

Sehr geehrte Damen und Herren,

namens und unter Vorlage einer Originalvollmacht meines Mandanten Herrn Thomas Lammich, Siedlung 12, 39175 Woltersdorf erheben wir


E i n w e n d u n g e n


gegen den mit Öffentlicher Bekanntmachung vom 30.06.2020 (Amtsblatt des Landkreises Jerichower Land, 14. Jahrgang, Nr. 11 vom 30.06.2020) bekannt gemachten Antrag der Firma Boreas Energie GmbH auf Erteilung einer Neugenehmigung nach § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz i. V. m. der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) zur Erweiterung des bestehenden Windfeldes „Büden/Woltersdorf IV", mithin gegen die Errichtung und den Betrieb der drei Windenergieanlagen, von welchen lediglich die Anlage „BN13.1" im bestehenden Vorranggebiet Woltersdorf IV liegen könnte.

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Mein Mandant seinerseits ist Vertreter der auf den angehängten Listen (Anhang 1) mit den erforderlichen Angaben jeweils unterschriebenen Sammeleinwendung. Alle Einwender verlangen, dass deren Name und Anschrift unkenntlich gemacht werden.

I. Vorab ist festzustellen, dass aus der Öffentlichen Bekanntmachung des

Vorhabens vom 18. Juni 2020 nicht ersichtlich ist, dass die Öffentlichkeit Einwendungen auch elektronisch (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG) erheben kann. Demzufolge ist die Bekanntmachung nicht geeignet, das Ende der dort festgesetzten Einwendungsfrist rechtswirksam zu bestimmen und die Rechtsfolgen in Gang zu setzen.

Denn der verständige Leser der Öffentlichen Bekanntmachung, mithin die Öffentlichkeit, musste und muss - wegen der ausschließlichen Angabe „schriftlich beim Landkreis Jerichower Land, Bahnhofstraße 9, 39288 Burg" Einwendungen erheben zu können - im Vertrauen auf die inhaltliche Vollständigkeit der „Öffentlichen Bekanntmachung" davon ausgehen, dass der elektronische Weg zur Einwendungserhebung nicht eröffnet ist. M. a. W.: die Rechtswidrigkeit der Öffentlichen Bekanntmachung rührt gerade daher, dass in der Öffentlichen Bekanntmachung über die in § 10 Abs. 4 BImSchG bestimmten Mindestangaben hinaus lediglich auf die schriftliche Form der Einwendungserhebung verwiesen wird und gleichzeitig die gesetzlich gleichrangig vorgesehene elektronische Form der Einwendungserhebung verschwiegen wird.

II.

1. Der dargelegte rechtswidrige Ausschluss jener Bürger, welche Ihre Einwendung berechtigterweise in elektronischer Form hätten vortragen wollen oder dies noch wollen, begründet die Rüge mangelhafter Sachaufklärung und ist die erste Einwendung gegen das Vorhaben.

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2. Es bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Errichtung und den Betrieb der drei beantragten Windenergieanlagen. 

Im Einzelnen:

a) Der Antrag zur Errichtung und zum Betrieb der drei Windenergieanlagen hat keine rechtswirksame regionalentwicklungsplanerische Grundlage:

aa) Denn das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat mit rechtskräftigen Urteil vom 18.11.2015 (OVG 2 L 1/13) die Unwirksamkeit des REP MD festgestellt. Demzufolge kann eine Zulässigkeit des Vorhabens nicht aus dessen Bestimmungen bzw. Gebietsfestsetzungen hergeleitet werden.

bb) Auf S. 19 des von der BOREAS vorgelegten UVP-Berichtes wird ausgeführt, „dass das die beantragten Windenergieanlagen … sich innerhalb des in Aufstellung befindlichen Vorranggebietes Büden- Woltersdorf" des 2. Entwurfes des RP befänden und verweisen dazu auch auf das Protokoll zu einem diesbezüglichen Beratungstermin im zuständigen Landesministerium vom 29.04.2019. In diesem Protokoll wird dazu ausgeführt:

„Die Bauanträge (sic!) zum vorgesehenen Neubau der o. g. WEA … sind in analoger Anwendung des § 33 BauGB zu beurteilen, da der sich in Erarbeitung befindliche 2. Entwurf des Regionalen Entwicklungsplanes für die Planungsregion Magdeburg bezogen auf die hier relevanten Antragsgegenstände Teilplanreife hat".

Soweit die Zulässigkeit aus den noch nicht rechtswirksamen Festsetzungen des seit 2016 (!) im Entwurfsstadium befindlichen neuen REP MD mittels einer „analogen Anwendung des § 33 BauGB" versucht wird herzuleiten, gibt eine solche Analogie weder die ratio legis des BauGB noch die des künftigen REP MD noch die Satzung der Regionalen Planungsgemeinschaft Magdeburg (u. a. „bestimmte" und nicht gewählte Mitglieder in der Regionalversammlung) bzw. des Landesentwicklungsgesetzes her.

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Doch selbst wenn man eine solche Analogie mit § 33 BauGB als möglich erachten wollte, war bei der Öffentlichen Auslegung der WEA-Unterlagen nicht das in dem Fall erforderliche schriftliche „Anerkenntnis der künftigen Festsetzungen gemäß § 33 Abs. 1 BauGB" zu entnehmen, welches dann -wie dasjenige in Bezug genommene Anerkenntnis gemäß § 33 Abs.1 BauGB eben - auch für den (einen möglichen) Rechtsnachfolger gilt.

Fazit insoweit: es steht zu befürchten, dass durch die behauptete Übereinstimmung mit dem in Erarbeitung befindlichen 2. Entwurf des regionalen Entwicklungsplanes „analog" unzulässig frühzeitig Baurecht während der Planaufstellung erzeugt werden soll, um mit den ohne wirksame regionale Entwicklungsplanung errichteten drei WEA vollendete Tatsachen zu schaffen. Diese vollendeten Tatsachen wiederum sollen sodann ersichtlich als Rechtfertigung für eine endgültige Festlegung einen entsprechenden Vorranggebietes „um sie herum" dienen.

Das Abwarten der Rechtswirksamkeit des REP MD wäre auch unter dem Gesichtspunkt der Beachtung der Ergebnisse der aktuellen (bundesweiten) Diskussion über die Abstandregelungen für WEA sachlich geboten, b) Die Darstellung der Ortschaften auf Seite 15 der Anlage XI des UVPBerichts ist nachweislich fehlerhaft. Dadurch soll ersichtlich die Verkehrsfähigkeit der Grundstücke beeinträchtigt werden, um so die später im Fall der Genehmigungserteilung zwingend eintretende eigentumsbeeinträchtigende Wirkung der drei weiteren WEA bereits im Vorfeld zu kaschieren.

Weder die Beschreibung der Ortschaften ist korrekt dargestellt, noch zeigen die Bilder ab Seiten 29 der Anlage XI zum UVP-Bericht das korrekte Bilder der Ortschaften. Alle aufgeführten Ortschaften verfügen über einen typischen dörflichen Charakter und über ca. 95% saniertem Gebäudestand. Diese Fakten sind dem Beweis zugänglich. Alle Ortschaften verfügen über ein intaktes Ortsleben mit gepflegten und gut besuchten Spielplätzen, Freiwilligen Feuerwehren und Vereinen für das kulturelle Zusammenleben. Die hier vermittelte Darstellung entspricht nicht den Gegebenheiten in den Ortschaften.

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Es wird vielmehr das nicht der Realität entsprechende Bild eines bemitleidenswerten UR gezeichnet, ohne z. B. auf die gerade von den 29 Bestands-WEA ausgehende negative Wechselwirkung i. S. des Verursachungsbeitrages für sehr vereinzelt bestehende Probleme im UR einzugehen.

Auch wird nicht darauf eingegangen, dass sich Schreiben beim Vorgang befinden, die nach Ablauf der Nutzungsdauer den Rückbau bzw. ein Repowering der Bestandsanlagen indizieren. Wie das Beispiel zeigt, kann ein eventuelles Repowering aber ohne Weiteres in einem anderen VRG erfolgen, so dass für den UR eine weitere Aufwertung erfolgte.

c) Die dargestellten Vermeidung-und Minderungsmaßnahmen sind nicht ausreichend bzw. fehlerhaft und zeigen Lücken auf.

aa) Es ist nicht beschrieben, wie der schallreduzierte Betrieb in der Nacht funktioniert. Eine technische Umsetzbarkeit ist zumindest nicht erkennbar.

Hieraus besteht die Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit der Anwohner und somit des Einwenders/der Einwender.

bb) Die Schattenreduzierung BN 12 und BN 13.1 sollen in kritischen Zeiten ausgestellt werden. Die Bezeichnung "in kritischen Zeiten"definiert keinen konkreten Zeitraum oder Zeitpunkt der Abschaltung. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff kann nicht ausgeführt werden, es fehlen hier konkrete Eingrenzungskriterien. Insoweit fehlt unter anderem der Bereich Gerwisch/BN 11. Auch hier besteht die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Anwohner und somit des Einwenders/der Einwender.

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cc) Die Befeuerung soll nur bei Bedarf eingeschaltet werden. Auch hier ist der unbestimmte Rechtsbegriff "bei Bedarf" nicht konkretisierbar. Es fehlen entsprechende Normen zur Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs.

dd) Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der Population Fischadler betrifft nur die BN 11.1 und BN 12. Der Bereich BN 13 fehlt hier gänzlich. Hinsichtlich dieses Bereichs sind keine Feststellungen getroffen.

ee) Nicht nachvollziehbar ist es, dass außer Fischadler und Fledermäuse keine weiteren Tierarten im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung berücksichtigt worden sind.

d) Wirkungsanalyse-Bewertung der Umweltauswirkungen

aa) Vorangestellt wird ein Zitat aus Seite 88.11.1: „Um im Rahmen der Bewertungsmethode die Matrix zur Ermittlung des Veränderungsgrades anwenden zu können (s. Kap. 7.3.2), wurde bei weiterer punktueller Überschreitung von Schwellenwerte in die Wertstufe des Prognose- Zustandes um 2 Stufen (bei geringerem Ausmaß nur eine Stufe) reduziert, um die negativen Veränderungsgrad erkennbar werden zu lassen." Die Wertstufe der Schallimmission (Seite 88) ist nachts 1 und somit als "hohe Belastung" zu bewerten und soll durch scheinmindernden Betrieb auf Wertstufe 3 "mittlere Belastung" reduziert werden. Durch die Vorbelastung besteht jedoch eine weitere Minimierung von 2 Wertstufe, welche zur Wertstufe 2 "mäßig negativ" führt. Im Umkehrschluss würde dies bedeuten, dass die WEA am Tag und unter Berücksichtigung der Minimierung durch die Vorbelastung, mit der Wertstufe 1 "hohe Belastung" laufen.

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Auch dies gefährdet die körperliche Unversehrtheit der Anwohner, Einwender und Besucher. bb) Der Schall liegt im leistungsorientierten Betriebsmodus bei 106,6 dB (Seite 89.11.1.2). Jedes Fahrzeug der Bundesrepublik Deutschland, darf zur Zulassung den Wert von 95 dB nicht übersteigen. 

cc) Eine Bewertung zum Infraschall (Seite 13.2.7.7) findet keine Berücksichtigung. Die neuere Rechtsprechung berücksichtigt auch Infraschall. Auch hier ist die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit zu befürchten.

dd) Die Schallbewertung "gering nachteilig" ist absolut nicht hinnehmbar, da die körperliche Unversehrtheit extrem beeinträchtigt und gefährdet ist.

ee) Die Schattenemission (Seite 89.11.1.3) wurde eine je 2 Standorten in Woltersdorf, Gerwisch und Körbelitz gemessen. Dies gibt jedoch nicht eine konkretes Belastungsbild wieder. Das Belastungsbild ist verzerrt und lückenhaft. Zudem wurde die Berechnung des Wirkungsbereichs (siehe TFT Seite 289), aus dem vermutlich die je 2 Messstellen ermittelt wurden, mittig der 3 Anlagen gesetzt. Dies ist aus diesseitiger Sicht nicht korrekt. Hier müsste jede Anlage separat für sich betrachtet werden und die Anlagen in ihrer Gesamtheit, da sich damit der Wirkungsbereich um einige 100 m verschiebt und damit weitaus mehr Menschen betroffen sind, als aktuell berücksichtigt worden sind. Große Teile von Gerwisch und schätzungsweise der gesamte Bereich der Gemeinden Körbelitz und Woltersdorf sind hiervon betroffen. Das entsprechende Gutachten unterliegt dementsprechend durchgreifenden erheblichen Bedenken. Die Bewertung ohne Abschaltvorrichtung mit einer Wertstufe -2 „massig negativ" deutet auf die enormen Einflüsse hin, die diese Anlagen mit sich bringen würden.

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ff) In der gesamten Aufarbeitung für die Wertminderung an Grundstücken und Immobilien, die sich im betroffenen Bereich befinden. Dies wird weder erwähnt noch behandelt, obwohl eindeutig feststeht, dass durch die geplanten Anlagen die angrenzenden Grundstücke und Immobilien in ihrem Wert erheblich gemindert werden, ohne dass die Eigentümer hierfür einen Ausgleich erhalten sollen. Es besteht nicht nur eine konkrete Sichteinschränkung, sondern auch die weiteren Immissionen sind grundstückswertmindernd zu berücksichtigen. Die eigentlichen Vorzüge des Landlebens werden durch die neuen Anlagen erheblich eingeschränkt, wobei schon eine erhebliche Vorbelastung der bestehenden Windenergieanlagen besteht. Interessierte Käufer wollen auf dem Land gerade Ruhe und Natur genießen, dies ist durch die sehr hohen, Sicht behindernden, lauten und schallemittierenden Anlagen erheblich eingeschränkt. Die Wertminderung ist jedoch für alle betroffenen Eigentümer und Einwender ein essenzieller Mangel, der so nicht hingenommen werden kann.

gg) Die zusammenfassende Bewertung der Auswirkungen auf das Schutzgut Mensch, kann mit „gering nachteilig" in diesem Lichte nicht nachvollzogen und hingenommen werden.

hh) Störung der Totenruhe und eines Denkmal Im Einzugsbereich befindet sich der Friedhof Woltersdorf. Zudem ist hier in unmittelbarer Nähe das Hünengrab, welches zum einen eine Grabstätte darstellt und zum anderen ein Denkmal ist.

e) Abschaltzeiten und Wertschöpfung des Bauvorhabens

aa) Es bestehen schutzbedingte Abschaschaltzeiten
- Fischadler (Seite 85) BN 11.1 und BN 12 vom 15.03. bis 15.08. (6

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Monate mindestens 12 Stunden/Tag)
- Fledermaus (Seite 85) vom 01.04. bis eine 31.10. eine Stunde vor Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang
- zur Schallreduzierung (Seite 83) „schallreduzierender Betrieb bei Nacht"
- Schattenreduzierung bei Schattenwurf zu den ermittelten Zeiten
- Eisabschaltsystem welches gem. Zitat von Seite 90 bei Punkt 11.1.5: „...bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und gleichzeitig hoher Luftfeuchtigkeit..." abschaltet.

Diese benannten Abstellzeiten, erklären einerseits die Wichtigkeit der anerkannten Schutzgüter. Andererseits stellen diese Abstellzeiten die Wertschöpfung der Anlagen infrage. Es bleibt fraglich, ob die Verhältnismäßigkeit der Anlagen hierdurch gewahrt bleibt. Ein sehr großer Eingriff findet in die Natur und in den Wohnbereich der Anwohner statt, gleichzeitig ist die Gewinnung der grünen Energie nicht effizient.

bb) Aus den Unterlagen geht hervor, dass die entsprechenden  einzubauenden Schaltkreise, die die vorgenannten Abstellzeiten garantieren sollen, aus den Stand der Technik der neunziger Jahre darstellen und somit nicht zeitgemäß erscheinen und vor allem nicht redundant sind, sodass eine Gewährleistung der Einhaltung der Schutzzeiten unwahrscheinlich ist. Daraus resultiert wiederum eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Anwohner und Einwender.

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f) Die vorstehenden Einwendungen sind zu berücksichtigen. Ohne eine entsprechende ausreichende Korrektur der Planungen erscheint eine Genehmigungsfähigkeit nicht herzustellbar zu sein, wobei schon fraglich ist, ob die geplante Errichtung und der Betrieb der 3 WEA überhaupt genehmigungsfähig sind. Hier sind eklatante Schutzgüter weder ausreichend noch teilweise überhaupt nicht berücksichtigt. So fehlt in Gänze die Berücksichtigung der Wertminderung der anliegenden Grundstücke und Immobilien. Ein Ausgleich hierfür ist nicht vorgesehen. Ungeachtet dessen sind schon die grundlegenden rechtlichen Voraussetzungen zur Genehmigungsfähigkeit nicht ersichtlich (siehe oben).

Mit freundlichen Grüßen

R e n n e r

Rechtsanwalt


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